Direkt zum Hauptbereich

Äquatorialguinea

 

Ihr Lieben,

streng nach dem Alphabet wäre heute ein Ausflug nach Antigua und Berbuda angesagt gewesen. Und keine Angst, ich will mich auf keinen Fall durchmogeln. Mein Plan ist weiterhin, wirklich aus jedem Land der Erde ein Buch zu lesen. Aber da ich auch gern möglichst aktuell sein möchte, reiche ich meinen Beitrag über Antigua und Berbuda am 18. März nach. Dann erscheint zwar kein völlig neues Buch, aber ein lesenswertes älteres Werk in neuem Kleid.

Heute geht es stattdessen um:


Äquatorialguinea



 

 

 

 

  

 

Meine Wahl fiel auf 

Trifonia Melibea Obono: La Bastarda. Übersetzt von Lawrence Schimel. Feminist Press. 2018

Leider habe ich für dieses außergewöhnliche Werk keine deutsche Übersetzung entdecken können, was ich wirklich für ein Versäumnis halte.

 



       

 

 

 

 

Rezension

„La Bastarda“ ist die Geschichte eines jungen Mädchens, das intensiv über seine Gefühle nachdenkt und nach seiner sexuellen Identität sucht. Soweit klingt das Ganze erstmal nach einem ganz normalen Coming of Age Roman, aber dann ist eben doch alles völlig anders als gewohnt. Denn Okomo lebt in einem kleinen Dorf in Äquatorialguinea, ihre Mutter ist vor langer Zeit gestorben und die Identität ihres Vaters wird ihr vorenthalten. 

In einer Gesellschaft, in der die Alten grundsätzlich Recht und die Männer sowieso das Sagen haben, ist Okomo seit sie denken kann von einer Mauer aus Schweigen und der Ablehnung umgeben. Als sie sich schließlich in ein Mädchen verliebt, spitzt sich die Situation zu. Denn in einer Welt, in der der Wert einer Frau danach gemessen wird, wie viele Kinder sie geboren hat, und ein Mann als Held gilt, wenn er möglichst viele Frauen schwängert, ist für gleichgeschlechtliche Liebe kein Platz. 

Bis Okomo ihren eigenen Weg findet, muss sie sich mit einer Reihe von unterschiedlichen Lebensentwürfen innerhalb und außerhalb der Gesellschaft auseinandersetzen und feststellen, dass längst nicht jeder glücklich ist, der scheinbar ins System passt.

Mir hat dieser Roman außerordentlich gut gefallen, weil die Autorin ganz klar und wohltuend schnörkellos erzählt. Man kann sich die Welt, in der ihre Protagonistin lebt und gegen die sie sich behaupten muss, sehr gut vorstellen. Und obwohl die Autorin ihre Geschichte auf nur knapp über 100 Seiten ausbreitet, lernt man als Leserin eine ganze Menge über die traditionellen Geschlechterrollen in Äquatorialguinea und eine neue Generation, die offenbar nicht länger gewillt ist, diese unwidersprochen hinzunehmen. 

 

Leseprobe

(in meiner rohen Übersetzung)

Meine Mutter wurde schwanger als sie neunzehn war und starb bei der Geburt. Hexerei hatte ihren Tod verursacht und ich galt von Anfang an als Bastarda – als uneheliche Tochter. Ich wurde geboren, bevor mein Vater die Mitgift als Gegenwert für meine Mutter bezahlt hatte. Deshalb verachtet mich die Gesellschaft und die Leute beschimpfen mich als„Tochter einer unverheirateten Fang Frau“ oder als die„Tochter keines Mannes“.



 

 

 

 

 

 

 

 

 

Trifonia Melibea Obono

Copyright: Trifonia Melibea Obono

Trifonia Melibea Obono ist eine äquatorialguineische Autorin, Journalistin, Politikwissenschaftlerin und LGBTQI+-Aktivistin. Sie unterrichtet an der UNGE (der Nationalen Universität von Äquatorialguinea) in Malabo im Bereich Sozialwissenschaften und am Zentrum für Afrohistspanische Studien der UNED.

 

Preise

2019    Global Literature in Libraries Initiative Award für „La Bastarda“

2019    Ideal Woman Award (Äquatorialguinea)

2018    Internationaler Justo Boleká Preis für Afrikanische                                Literatur für „Las Mujeres Hablan Mucho Y Mal“

 

„La Bastarda“ ist das erste Buch einer Schriftstellerin aus Äquatorialguinea, das je ins Englische übersetzt wurde. In Obonos  Heimatland wurde das Werk wegen seiner lesbischen Protagonistin kürzlich verboten.

 

Weitere Bücher der Autorin:

Für deutsche Verlage gibt es noch viel zu entdecken:

 

Las mujeres hablan mucho y mal (2019)

La albina del dinero (2017)

Yo no quería ser madre (2016)

La Bastarda (2016)

 

Weitere Autorinnen aus Äquatorialguinea:

Maria Nsue Angüe

Leyendas Guineanas

Raquel Ilonbé (erste publizierte Autorin Äquatorialguineas überhaupt)

 

Angemerkt

Nach dem "State Sponsored Homophobia"-Bericht vom Mai 2013 sind Gesetze gegen Homosexuelle in Afrika weit verbreitet. In fast 40 afrikanischen Staaten steht Homosexualität unter Strafe, in einigen droht sogar die Todesstrafe. 

In Äquatorialguinea ist Homosexualität zwar nicht verboten, wird aber von größeren Bevölkerungsgruppen tabuisiert. Es existiert darüber hinaus weder ein Antdiskriminierungsgesetz, noch eine staatliche Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Paaren. Übergriffe auf Einzelpersonen wie im Buch beschrieben gelten als verbreitet.

 

Links zum Buch

https://www.asymptotejournal.com/blog/2018/05/21/in-review-la-bastarda-by-trifonia-melibea-obono/

https://africainwords.com/2018/11/05/an-act-of-inspiration-review-of-la-bastarda-by-trifonia-melibea-obono/

https://www.publishersweekly.com/978-1-936932-23-8

 

Links zum Thema

https://www.aktiv-gegen-kinderarbeit.de/welt/afrika/aquatorialguinea/

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Wie kam es zu diesem Blog?

2017/18 habe ich mit meiner Tochter Sarah das große Abenteuer unternommen, auf Weltreise zu gehen. Eigentlich wollten wir schon damals aus jedem Land, das wir besuchten, wenigstens ein Buch lesen (wenn schon nicht während der Reise, dann doch wenigstens, sobald wir wieder zu Hause waren).  Wie immer im Leben hatten wir uns ein wenig zu viel vorgenommen. Mittlerweile sorgt bekanntermaßen ein böses Virus, dessen Namen man wie etwa bei Lord V aus Harry Potter oder antiken Rachegöttern gar nicht mehr nennen mag, dafür, dass Reisen aus Sicherheitsgründen besser nur im Kopf stattfinden. Also habe ich mir überlegt, dass doch eine Lese-Weitreise jetzt genau das Richtige wäre.  Als ich dann im Netz recherchierte, habe ich festgestellt, dass es schon ein paar andere Weltreisende in Sachen Literatur gibt. Zum Beispiel hat mir der Blog von Ann Morgan gut gefallen: https://www.thebooktrail.com/authorsonlocation/reading-the-world-ann-morgan/ Und obwohl es bisher nur wenige sind, die ein so umf

Belgien

  Ihr Lieben, heute sind wir wieder Mal in Europa unterwegs, und zwar in   Belgien                   Unter den zahlreichen Titeln, die belgische und flämische Autorinnen publiziert haben, ist mir dieses Bändchen besonders ins Auge gesprungen - vermutlich, weil ich mich nach all den ernsten Sujets unserer Lesereise selbst gern der Kunst des Champagnertrinkens hingeben würde. Man kann ja immer noch dazulernen…   Amélie Nothomb: Die Kunst, Champagner zu trinken. Zürich. Diogenes, 2019                       Rezension Ich muss zugeben, dass ich Amélie Nothomb bislang nicht kannte, obwohl sie schon zahlreiche Romane veröffentlicht hat. Bei der Auswahl habe ich mich voll und ganz auf den Covertext verlassen. Da heißt es: „Zwei Schriftstellerinnen, eine Leidenschaft: Amélie und Pétronille suchen den Rausch – in der Literatur und im Champagner. In Paris besuchen sie eine Degustation im Ritz, sie feiern in London und in den Alpen. Doch es gibt Dämonen, die sich auch

Äthiopien

Ihr Lieben, das heutige Reiseziel ist    Äthiopien             und ich möchte folgendes Werk vorstellen:   Nasrin Siege: Asni. Ulrike Helmer Verlag. 2020                         Rezension Asni ist 13 Jahre alt, glücklich in ihrer Familie und eine fleißige  Schülerin. Von ihrer Zukunft hat sie ein klares Bild: Zunächst möchte sie die Schule mit einem guten Abschluss beenden und sich dann zur Krankenschwester ausbilden lassen. Übers Heiraten denkt sie noch nicht nach, dazu ist sie noch viel zu sehr Kind. Doch dann ändert sich alles von einem Tag auf den anderen als ihr süchtiger Vater sie an den reichen Khat-Bauern Kassahun gegen dauerhafte Lieferungen der begehrten Droge eintauscht.  Sie soll als inoffizielle Zweitfrau im Haus des Drogenhändlers leben - eine verbotene, aber offenbar tolerierte Praxis. Äthiopien ist eines der ältesten christlichen Länder in Afrika und Polygamie wird dort auch von den Vertretern der christlichen Kirchen abgelehnt, trotzdem greift niemand ein, al