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Antigua und Barbuda

Ihr Lieben,

heute kommt dann doch erstmal die Nachlieferung, die ich Euch schon angekündigt hatte - und zwar aus Antigua und Berbuda.

 

 



 

 

 

 

Das Buch heißt

Jamaica Kincaid: Nur eine kleine Insel. Übersetzt von Ilona Lauscher. Kampa Verlag. 2021

und ist in der Neuauflage kürzlich als ebook erschienen. Die Papierausgabe wird im Juni nachfolgen, weswegen das Werk auch (noch) nicht in meinem Weltreise-Regal steht. Wer altmodisch blättern möchte, muss sich noch ein wenig gedulden.



 

 

 

 

 

 

 

 

 

Rezension:

Salman Rushdi sagte beim Erscheinen des Originals: „Ein Klagelied entsteht dabei, ein Klagelied von großer Klarheit und einer Kraft, die man wild nennen würde, wäre nicht die Sprache so überaus beherrscht.“ Mir kommt es bei dieser Einschätzung so vor, als hätte ich ein anderes Buch gelesen. Jamaica Kincaid lässt in ihrem schmalen Bändchen kein Klagelied entstehen, sondern eher eine Anklageschrift.

Die Emotion, die hinter ihren durchaus klaren und kraftvollen Worten steckt, ist meiner Ansicht auch nicht Trauer, sondern reinste Wut. Und zwar über die Touristen, die heute über die Uralubsinsel herfallen wie Heuschrecken, über alle Weißen, die Menschen mit schwarzer Hautfarbe schon so lange systemisch unterdrücken - und ganz besonders hart geht die Autorin mit den Briten ins Gericht, die auf ihrer Heimatinsel unfassbares Leid über die Bewohner brachten.

Aber diese unglaubliche Powerfrau hat durchaus auch noch Kraft, die heutige schwarze Regierung ins Gebet zu nehmen, die das Instrumentarium der Ausbeutung übernommen hat und genauso unverfroren gegen die Bevölkerung verwendet, wie die weißen Machthaber zuvor. Die Investoren aus dem Nahen Osten bekommen ebenso ihr Fett ab wie die amerikanischen "Geschäftspartner". Eine sehr wütende Frau schrieb hier ein sehr wütendes Buch – durchaus lesenswert.

 

Leseprobe:

Das Wort Befreiung wird so häufig gebraucht, als wäre sie, die Befreiung, eine zeitgenössische Erscheinung, mit der jeder vertraut ist. Vielleicht ist etwas Wahres dran, denn in Antigua gibt es eine Einrichtung, die bei jeder Gelegenheit gepriesen wird: Die Fachschule für das Hotelgewerbe.

Dort wird den Leuten beigebracht, wie man ein guter Diener wird, wie man ein guter Niemand wird, also genau das, was einen Diener ausmacht. In Antigua sind die Leute nicht in der Lage, zwischen ihrer fixen Idee von Sklaverei und Befreiung und ihrer Begeisterung für die Hotelfachschule (die Abschlussfeiern werden im Radio und im Fernsehen übertragen) einen Zusammenhang zu sehen.

Die Leute können keinen Zusammenhang erkennen zwischen ihrer fixen Idee von Sklaverei und Befreiung und der Tatsache, dass sie von korrupten Männern regiert werden oder dass diese korrupten  Männer ihr Land korrupten Ausländern ausgeliefert haben.

 

Facts zur Autorin:

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

Jamaica Kincaid

© Emil Wesolowski / Dagens Nyheter

Ihren Geburtsnamen Elaine Potter Richardson änderte Jamaica Kincaid 1973 als sie beschloss Schriftstellerin zu werden. Hinter dieser Entscheidung steckte nicht etwa die PR-Idee eines Verlags, sondern schlicht die Tatsache, dass ihr Stiefvater und ihre Mutter keine Autorin zur Tochter haben wollten.

Jamaica Kincaid wuchs auf der Insel Antigua auf und erlebte dort das britische Schulsystem, das noch bis 1967 das vorherrschende Bildungsangebot auf der Insel darstellte. Mit 17Jahren wollte sie endlich „die kleine Insel“ ihrer Jugend verlassen und bewarb sich um eine Au-Pair-Stelle in New York. Tatsächlich gelangte sie auf diese Weise in die USA, studierte an der New York School for Social Research, heute unterrichtet sie in Harvard African and Afroamerican Studies. 

Es gibt zahlreiche Geschichten über die Autorin und die Interviews, die sie gegeben hat, sind sehenswert. Ein Zitat aber scheint mir besonders viel darüber auszusagen, aus welchem Holz Jamaica Kincaid geschnitzt ist. Als sie gefragt wurde, wieso sie ihrem Mann zuliebe zum Judentum konvertiert sei, antwortete sie: 

»Ich bin schwarz und eine Frau, da kann ich noch eine Schippe mehr vertragen«). 

 

Preise

2000 Prix Femina Étranger für Mon Frère

2004 Aufnahme in die American Academy of Arts and Letters[3]

2009 Aufnahme in die American Academy of Arts and Sciences

2017 Dan-David-Preis

 

Weitere Bücher der Autorin:

Girl (Kurzgeschichte; erschienen am 26. Juni 1978 im New Yorker)

At the Bottom of the River. 1983

Am Grunde des Flusses. Übersetzung von Sarah und Moritz Kirsch. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1986.

Annie John. 1985

Annie John. Übersetzung von Barbara Henninges. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1989.

A Small Place. 1988

Lucy. 1990

Lucy. Übersetzung von Stefanie Schaffer-de Vries. Wolfgang Krüger Verlag, Frankfurt am Main 1991.

Biography of a Dress. 1990

On Seeing England for the First Time (Essay; erschienen 1991 im Harper’s Magazine)

The Autobiography of My Mother. 1995

Die Autobiographie meiner Mutter. Übersetzung von Christel Dormagen. Wolfgang Krüger Verlag, Frankfurt am Main 1996.

My Brother. 1997

Mein Bruder. Übersetzung von Sabine Herting. Wolfgang Krüger Verlag, Frankfurt am Main 1999.

My Favorite Plant: Writers and Gardeners on the Plants they Love. 1998

Talk Stories. 2000

My Garden(book). 2001

Mein Garten(buch). Übersetzung von Renate Orth-Guttmann. Heinrich und Hahn, Frankfurt am Main 2005.

Mister Potter. 2002

Among Flowers. 2005

Die Blumen des Himalaya. Übersetzung von Nadine Lipp. Terra Mater Books, München 2018

See Now Then. 2013

Damals, jetzt und überhaupt. Übersetzung von Brigitte Heinrich. Unionsverlag, Zürich 2013

 

Weitere interessante Autorinnen aus Antigua und Barbuda:

Leider habe ich keine weitere Autorin gefunden. Für Anregungen in den Kommentaren wäre ich sehr dankbar.

 

Links zur Autorin:

Der Kampa-Verlag legt Jamaica Kincaids fabelhafte Werke wieder auf - Kultur - SZ.de (sueddeutsche.de) 

http://www.unionsverlag.com/info8/link.asp?link_id=9441&title_id=2756

 

Links zum Thema:

https://de.wikipedia.org/wiki/Codrington_Plantations

 

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