Ihr Lieben,
der heutige Reiseabschnitt führt nach
Argentinien
Nachdem ich in einigen Ländern ziemlich lange nach geeignetem Lesestoff suchen musste, stand ich im Fall von Argentinien eher vor dem Problem, aus der großen Anzahl von Werken von Autorinnen ein einziges auswählen zu müssen. Ich habe mich dann ganz aus dem Bauch heraus für
Inés Garland: Wie ein unsichtbares Band. Übersetzt von Ilse Layer. Fischer Taschenbuch 2015
entschieden - vermutlich hauptsächlich, weil ich nach den doch sehr schwierigen Themen der letzten Wochen auch mal was Leichteres lesen wollte. Eine Liebesgeschichte zwischen zwei jungen Leuten eben...
Rezension
Nun ganz so leicht wurde es dann doch nicht. Die Protagonistin Alma, ihre beste Freundin Carmen und deren Bruder Marito führten ein angenehmes Leben so lange sie Kinder waren. Aber die heile Welt zerbröckelt, als aus Kindern Jugendliche werden.
Alma stammt aus einer wohlhabenden Familie, die eigentlich in Buenos Aires wohnt und nur die Wochenenden in ihrem Ferienhaus am Fluss verbringt. Carmen, Marito und deren große Familie dagegen sind arm. Für sie ist der Fluss keine idyllische Urlaubskulisse, sondern ein Ort harter Arbeit. Ganz gleich ob als Fischer, Flößer, Händler oder Schmuggler - die Arbeit auf dem Wasser ist gefährlich und bringt nur das Nötigste ein.
Solange die drei noch Kinder sind, stört sich niemand
daran, dass sie gemeinsam ihre Zeit verbringen. Aber als Alma sich in Marito
verliebt, wird der Graben zwischen den Gesellschaftsschichten sichtbar, den die Kinder zuvor nicht wahrgenommen hatten. Die Kluft scheint unüberbrückbar, aber auch die Versuche, in dem von der Elterngeneration vorbestimmten Rahmen zu funktionieren, sind zum Scheitern verurteilt.
Leseprobe
Er roch nach Wein, und so aus der Nähe fand sich sein Gesicht unangenehm, als hätte es sich im Dunkeln plötzlich in eine Maske verwandelt. Ich rückte von ihm ab, aber er rückte nach. Da riss ich mich mit Gewalt los, und diesmal schaffte ich es, aufzustehen.
>>Mich willst du abblitzen lassen?<<, fragte er.
Ich lief ins Haus. Ich wusste nicht, was ich nun tun sollte, ich wollte gehen, aber wie? Er kam mir nach.
Das Wohnzimmer war voller Leute. Sie hatten das Licht ausgeknipst, und die Wände um die improvisierte Tanzfläche herum schimmerten bläulich. Lucila und Antonio tanzten eng umschlungen und küssten sich. Ich ging zu ihnen und blieb einfach stehen, ohne einen Ton zu sagen. Federico kam auch dazu.
>>Ich bring die da nach Hause<<, sagte er fast schreiend.
Lucila und Antonio hörten auf zu tanzen und sahen uns verwundert an.
>>Deine Freundin steht anscheinend nur auf Prolls<<, sagte Federico.
S. 162
Facts zur Autorin:
Inés Garland
© Alejandra Susana Lopez
Inés Garland schrieb als Journalistin für diverse argentinische Magazine (Nueva, Metrópolis und Paula). Außerdem arbeitet sie für Ñ, eine Kulturbeilage der Zeitung Clarín.
Preise:
2003: National Art’s Foundation Award für ihre damals noch unpublizierte Kurzgeschichtensammlung Una reina perfecta
2008: 2. Preis des Fondo Nacional de las Artes
2009: Auszeichnung der ALIJA (argentinische Sektion des Jugendbuch-Kuratoriums IBBY) in der Kategorie Bester Roman, für Wie ein unsichtbares Band
2013: Aufnahme unter Die besten 7 Bücher für junge Leser von Deutschlandfunk im April für Wie ein unsichtbares Band
2013: Buch des Monats Juni der AG Kinder- und Jugendliteratur Österreich für Wie ein unsichtbares Band
2013: Luchs des Monats im August für Wie ein unsichtbares Band
2013: Jugendbuch des Monats September der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur für Wie ein unsichtbares Band
2014: Deutscher Jugendliteraturpreis in der Kategorie Jugendbuch für Wie ein unsichtbares Band
Weitere Bücher der Autorin:
2005: Die Kurzgeschichte Los dulces sueños están hechos de esto in dem Sammelband Cuentos de luz y sombra – Obras seleccionadas de los Concursos Interamericanos de Cuentos 2003–2004, Verlag: Vinciguerra. Buenos Aires
2006: El rey de los centauros. Alfaguara. Buenos Aires
2006: Die Kurzgeschichte La novia de Sandokan in dem Sammelband No somos perfectas. Editorial Nuevo Extremo. Buenos Aires
2008: Una reina perfecta. Alfaguara. Buenos
2012: Las otras islas – Antología. Alfaguara. Buenos Aires
2013 Kurzgeschichte als A Perfect Queen (Una reina perfecta) übersetzt von Richard Gwyn. New Welsh Review Nr. 100
2015 In den Augen der Nacht. Übersetzt von Ilse Layer. Fischer KJB
Weitere Autorinnen aus Argentinien:
María Cecilia Barbetta
Diana Bellessi
Liliana Bodoc
Silvina Bullrich
Margarita Abella Caprile
Cristina Civale
María Sonia Cristoff
Alina Diaconú
Alicia Dujovne Ortiz
Cristina Feijóo
Luisa Futoransky
Sara Gallardo
Griselda Gambaro
Angélica Gorodischer
Juana Manuela Gorriti
María Granata
Irene Gruss
Rosa Guerra
Leila Guerriero
Beatriz Guido
Liliana Heer
Liliana Heker
Sylvia Iparraguirre
María Kodama
Alicia Kozameh
Norah Lange
María Rosa Lojo
Pilar de Lusarreta
Marta Lynch
Eduarda Mansilla
Juana Manso de Noronha
Clorinda Matto de Turner
Tununa Mercado
María Esther de Miguel
Silvina Ocampo
Victoria Ocampo
Olga Orozco
Elvira Orphée
Elsa Osorio
Alicia Partnoy
Claudia Piñeiro
Alejandra Pizarnik
Ángela Pradelli
Lucía Puenzo
Diana Raznovich
Reina Roffé
Samanta Schweblin
Ana María Shua
Alicia Steimberg
Perla Suez
Susana Szwarc
Susana Torres Molina
Marta Traba
Luisa Valenzuela
María Elena Walsh
Olga Wornat
Angemerkt
Den Hintergrund für die Geschichte bildet der Militärputsch am 24. März 1976. Damals wurde Isabel Perón ihres Amtes enthoben und durch eine Militärjunta unter Jorge Videla ersetzt. Wie viele Wohlhabende dieser Zeit ist auch Almas Vater zunächst ganz angetan von dem Umsturz und hofft, dass das Land endlich "aufgeräumt" wird. Interessant finde ich in diesem Zusammenhang, dass man offenbar von Anfang an allgemein in Kauf nahm, dass Unschuldige sterben würden. Der General Luciano Benjamin Menèndez kündigte schon kurz nach der Machtübernahme eine Säuberungsaktion an mit folgenden Worten:
„Wir werden 50.000 Menschen töten müssen. 25.000 Subversive, 20.000 Sympathisanten und wir werden 5.000 Fehler machen.
Paul H. Lewis: Guerrillas and generals: the “Dirty War” in Argentina. Greenwood Publishing Group, 2002, S. 147
Manchmal muss man eben genau hinhören und dann auch damit rechnen, dass Menschen, die solche Aussagen machen, sie auch Ernst meinen.
Links zur Autorin
http://www.satt.org/literatur/10_10_danach.html
Links zum Buch
http://letteraturen.letterata.de/2013/02/ines-garland-wie-ein-unsichtbares-band/
Danke für die tolle Empfehlung! Im Moment lese ich einige Bücher aus Südamerika. Vor allem aus den spanisch sprachigen Ländern. Deshalb freue ich mich jetzt auf Garland und Barbetta.
AntwortenLöschenFreut mich, wenn die Empfehlung für Dich gerade gut gepasst hat.
AntwortenLöschen