Ihr Lieben,
heute springen wir mal wieder über den Großen Teich und auch noch etwas in die Vergangenheit. Unser Reiseziel heißt:
Belize
Das Buch, das ich ausgewählt habe, ist schon etwas älter, aber trotzdem durchaus lesenswert.
Zee Edgell: „Beka“. Übersetzt von Uta Coridis. Orlando Frauenverlag. 1989
(Original: Beka Lamb, 1982)
Rezension
In diesem Buch entführt uns die Autorin Zee Edgell in die Welt der Beka Lamb: Belize ist im Aufbruch und seine Einwohner voller Visionen. Auch Beka träumt sich ihre Welt zurecht und korrigiert, was nicht passt. Bei ihr nennen das die Erwachsenen "lügen". Im Verlauf der Geschichte erfahren wir in Rückblicken, was welche Ereignisse dazu führten, dass die 14-Jährige schließlich das Lügen verlernte:
Bekas beste Freundin, Toycie Qualo, ist
tot und das Mädchen rekapituliert die letzten Monate, die zu diesem schrecklichen
Ereignis geführt haben. Die fantasievolle und herzliche Toycie war für Beka wie
eine Fee, die alles zum Leuchten brachte. Einfache Hütten wurden in ihren
gemeinsamen Tagträumen zu Villen und die Mädchen selbst zu vornehmen Damen, die an der edlen Kulisse
vorbeiflanierten - selbst wenn es nur darum ging, ganz profan Wasser zu holen. Obwohl Toycie
schon 17 ist, hat niemand sie aufgeklärt. Als sie sich verliebt, wird sie prompt schwanger. Und ebenso prompt verlässt ihr Freund,
Emilio Villanueva, sie als er von der Schwangerschaft
erfährt.
Die Geschichte vom naiven, romantischen Mädchen, das von einem Mann verführt wird und an den Folgen zugrunde geht, ist Inhalt zahlloser Romane. Interessant ist hier, dass die Geschichte aus der Sicht der besten Freundin Beka erzählt wird, die sich fragt, an welcher Stelle sie die Katastrophe hätte abwenden können, wenn sie Troycies nächtliche Treffen nicht durch Lügen gedeckt hätte.
In dem Roman geht es allerdings nicht nur um die Träume junger Mädchen, ein Großteil des Buches widmet sich der Situation Belizes vor der Unabhängigkeit. Es gibt eine Menge unterschiedlicher ethnischer Gruppen, die alle ganz verschiedene Vorstellungen davon haben, was mit ihrer Heimat geschehen soll. Maya, Kreolen, Garifuna, Mestizen sind sich nicht einmal darüber einig, ob es eine gute Idee ist, die britische Herrschaft überhaupt zu beenden. Während einige Gruppen die Kolonialregierung als Unterdrückungsregime sehen, das unbedingt abgelöst werden muss, fürchten andere eine Invasion durch Honduras. Gegensätzliche politische Positionen spalten sogar Bekas eigene Familie. Vater Bill und Großmutter Miss Ivy sind beide politisch aktiv, gehören aber unterschiedlichen Lagern an.
Zee Edgells Beka ist 1982 erschienen und damit das erste Buch, das nach der Unabhängigkeit von Belize überhaupt veröffentlicht wurde. Die früheren Rezensionen würdigten das Werk entweder als beispielhafte Beschreibung von Frauenleben oder sie fokussierten komplett auf die politischen Hintergründe, die zur Existenz eines neuen Staates führten. In neuerer Zeit wird der Roman, wenn überhaupt, als Coming of Age gelabelt.
Und tatsächlich trifft alles auf den Roman zu, ich glaube jedoch, dass die Aspekte stärker miteinander verwoben sind, als in den bisherigen Besprechungen beschrieben. Die Autorin selbst sagt, dass sie durch Mark Twains Tom Sawyer und Huckleberry Finn zum Schreiben inspiriert wurde. Vor allem, dass man Großes an ganz banalen Dingen wie dem Streichen eines Zauns verdeutlichen könne, sei ihr wichtig. Manche ihrer Metaphern sind leicht zu erkennen: Wenn Vater Bill Bekas üppig wuchernde Bougainvillea als Strafe für eine Lüge fällt, dann wird hier sicher auch die Fantasie mit Stumpf und Stiel ausgerissen. Aber längst nicht alle Anspielungen sind so offensichtlich.
Mir scheint, dass es in diesem Roman vor allem um Utopien für Frauen. Wie sollte sich in einer Zeit des Umschwungs auch das Leben von Frauen verbessern? Beka wird als Jugendliche mit den politischen Hoffnungen ihrer Familie ebenso konfrontiert wie mit den Verheißungen der katholischen Schule, die sie besucht, und der romantischen Liebesutopie ihrer Freundin Toysie. Am Ende erkennt Beka, dass sie ihren eigenen Weg finden und eigene Entscheidungen treffen muss.
Ein bewegendes Buch, das einmal mehr zeigt, dass offenbar in Krisenzeiten und Umbruchssituationen auch mehr Emanzipation möglich scheint. Wenn man in die Geschichte von Beka eintauchen möchte, muss man allerdings bereit sein, im Anspruch an die Erzählgeschwindigkeit einen Gang herunterschalten. Die Romane der 80er treiben die Lesenden lange nicht so vor sich her und von einem Ereignis zum nächsten wie heutige Veröffentlichungen. Mut zur Langsamkeit ist hier Voraussetzung.
Leseprobe
Toycie ließ ihre Bürste fallen und rannte über die Planken, die während der Regenzeit ausgelegt wurden, zum Tor hinüber, an dem Beka wartete. >>Wir fahren also doch? Was, Beka, wir fahren doch?<< fragte sie bange. Toycies welliges Haar war in der Mitte gescheitelt und floß im Nacken zu einem losen Knoten zusammen. Als sie Beka anblickte, ließt die Besorgnis ihre Augen pechschwarz gegen ihre zimtfarbene Haut erscheinen.
>>Ich dachte, Mr. Bill würde alles ausfallen lassen und habe mich nicht getraut, bei euch vorbeizuschauen ... hast du's ihnen schon erzählt, Beka Lamb?<<
>>Ach ach ach<<, antwortete Beka mit einem kleinen, gutturalen Laut.>>Was ist passiert?<<
Sie haben nich viel gesagt; Daddy hat die Bougainvillea umgehauen.<<
>>Wieso das?<<
>>Sie macht Miss Boysies Zaun kaputt, aber es sollte wohl irgendwie eine Strafe für mich sein.<<
>>Weil du sitzengeblieben bist?<<
>>Nich nur das, obwohl ihm das auch nicht sonderlich gefallen hat.<<
>>Wieso dann?<<
>>Ich hab zuerst behauptet, ich sei versetzt worden und später hab ich's dann zugegeben.<<
>>Du hast gelogen, Beka!<<
Beka blickte in Toysies erschrockenes, ungläubiges Gesicht und sagte, ohne mit der Wimper zu zucken:
>>Bei allen Geistern, so war's.<<
S.39
Facts zur Autorin:
Zee Edgell (eigentlich Zelma I. Edgell) wurde am 21. Oktober 1940 in Belize (damals noch British Honduras) geboren. In Belize Stadt besuchte sie die St. Catherine Academy, in die sie in ihrem Debutroman auch ihre Protagonistin Beka Lamb schickt. Die Autorin studierte Journalistik zunächst an der Schule für Moderne Sprachen und Polytechnik in London, dann an der Universität der West Indies.
Edgell schrieb für The Daily Gleaner in Jamaica und war Mitbegründerein von The Reporter. Mehrere Jahre unterichtete sie auch an der St. Catherine Academy in
Belize. Später leitete sie als erste Direktor*in das Women's Bureau der Regierung von Belize und später das Department of Women's Affairs.
Darüber hinaus arbeitete sie mit Entwicklungsgesellschaften und Friedenstruppen in verschiedenen Ländern zusammen, wie etwa Jamaica, Nigeria, Afghanistan, Bangladesh und Somalia. Außerdem hielt sie Lesungen am früheren University College of Belize (dem Vorgänger der heutigen Universität) und war Juniorprofessorin für Literatur und Kreatives Schreiben an der Kent State University in Ohio.
Preise
1982 Fawcett Society Book Prize, Großbritannien
Weitere Bücher der Autorin:
Novels
Beka Lamb (1982 )
In Times Like These (1991)
The Festival of San Joaquin (1997)
Time and the River (2007)
Short stories
"My Uncle Theophilus" (The Caribbean Writer, 1998)
"Longtime Story" in The Whistling Bird: Women Writers of the Caribbean (1998)
"The Entertainment" in Great River Review (2001)
Weitere Autorinnen aus Belize
Zoila Ellis
Angela Gegg
Corinth Morter-Lewis
Links zur Autorin
https://zeeedgell.wixsite.com/books
https://www.facebook.com/ZeeEdgellWriter
https://bombmagazine.org/articles/zee-edgell/
https://www.mybelize.net/people-culture/zee-edgell/
Links zum Buch
Beka Lamb Literature Essay Samples
Zee Edgell's Beka Lamb - YouTube
Link zum Thema:
Die Kinder von Belize - Humanium
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