Ihr Lieben,
heute reisen wir nach Burkina Faso
und im Gepäck haben wir:
Monique Ilboudo: Droit de cité: être femme au Burkina Faso. Éditions du Remue-Ménage. 2006
(Die Freiheit der Stadt: Frau sein in Burkina Faso.)
Leider existieren auch die Werke dieser hochinteressanten Autorin bislang nur in französcher Sprache. Vielleicht wieder mal ein Tipp für ambitionierte Verlage, eine Übersetzung zu wagen...
Rezension
Das Buch ist eine Bestandsaufnahme über das Leben der Frauen in Burkina Faso, von der Kolonialzeit bis heute. Thematisiert wird die ganze Palette der Diskriminierung von den festgefahrenen Geschlechterrollen und den Ungerechtigkeiten bei Ausbildung und Beruf, über alltägliche häusliche Gewalt gegen Frauen und Unterdrückung durch Zauberei oder den Vorwurf der Zauberei bis hin zur Genitalverstümmelung.
Besonders berührend wird es immer dann, wenn Betroffene selbst erzählen. Das Opfer einer Genitalverstümmelung beispielsweise formuliert sehr klar seine Zweifel an der Sinnhaftigkeit des erzwungenen Eingriffs: >>Wie kann diese Praxis Gottes Werk sein? Er hat uns doch die Organe geschenkt. Wie können Menschen eine Beschneidung ausführen? Damit behaupten sie ja, sie wüssten es besser als Gott?<<
Das Buch war schwer zu lesen, was nicht nur an meinen mangelhaften Französischkenntnissen liegt, sondern vor allem am teilweise deprimierenden Inhalt. Ilboudo macht sehr deutlich, dass die Männer in Burkina Faso, wie in vielen afrikanischen Gesellschaften, die völlige Kontrolle über Beziehungen und Sexualität besitzen. Für Männer ist offenbar die Fortpflanzung der wesentliche Faktor für eine Verbindung, weniger liebevolle Gefühle oder Partnerschaft. Vor allem durch die Polygamie, die den Zweck hat, die Nachkommenschaft des Mannes zu vergrößern, und den zu diesem Zweck vorwiegend ungeschützt praktiziertem Sex, setzen die Männer ihre Frauen laut Ilboudo einem unnötig hohen Risiko aus, sich mit HIV zu infizieren. Sie beschreibt den Zustand in einem Satz: "Du kannst Dich nicht davor schützen, Kinder zu bekommen."
Frauen und vor allem viele Männer in Europa lesen Bücher über die Emanzipationsbestrebungen in Afrika ja oft mit so einer Art wohligem Schauer in der Annahme, dass "bei uns ja alles anders und so viel besser" sei. Ich bin tatsächlich ein wenig erschrocken, dass zum Beispiel die Begründung der Männer, warum Frauen keine Ausbildung anstreben, sondern sich um Heim
und Herd kümmern sollen, gar nicht so verschieden klingt wie das, was hierzulande ganz schnell wieder aus der Mottenkiste gepackt wurde, als es darum geht, den Alltag in Corona-Zeiten zu bewältigen. Durch die Seuche hat die Emanzipation meiner Meinung nach auch hier einen
enormen Setback erfahren. Denn in den allermeisten Fällen sind es eben
doch die Frauen, die - selbst, wenn sie noch so gut ausgebildet sind -
ihre Karriere hintanstellen und sich um die Kinder kümmern. Auch die Horrorzahlen, die von häuslicher Gewalt berichten zeigen, dass sich auch in Europa offenbar keine Frau entspannt zurücklehnen kann.
Leseprobe
Da der Text in meinem Übersetzungsversuch sicher zu sehr leiden würde, zitiere ich Monique Ilboudo in diesem Fall lieber aus dem Vorwort gesammelter Artikel aus "Féminin Pluriel" (3. Auflage) - ein Text, der mir zumindest in englischer Sprache vorliegt:
Wenn die Frauen nur ein wenig mehr schreiben würden, mal ein Mikrofon oder eine Kamera in die Hand nehmen würden, dann wären sie nicht so unterrepräsentiert in den Medien, die fast ausschließlich darauf fokussiert sind, uns über das tägliche Leben zu informieren. Aber völlig ohne Frauen - ist das das wirkliche Leben?
Männer sprechen über Frauen, das schon. Aber das Bild, das sie von ihnen verbreiten, ist nicht immer sehr positiv. Und zu allem Übel ist es nicht immer ein Abbild ihrer Realität: Das Ziel ist nur, die etablierte Ordnung der Gesellschaft und die Position der Frauen darin zu legitimieren. Das ist eine wirkliche Gefahr und ein ernsthaftes Hindernis, wenn man die Bewertung der aktuellen Rolle der Frau und damit die Bedingungen, unter denen Frauen leben müssen, ändern möchte. Mit solchen Frauenbildern sind von der Regierung keine Zugeständnisse für Veränderungen zu bekommen.
Facts zur Autorin
Monique Ilboudo studierte Jura an der Universität von Ouagadougou und an der Lille 2 Universität in Frankreich. Ihren Doktortitel in bürgerlichem Recht erwarb sie 1991 an der Paris XII Universität. Schließlich arbeitete sie als Dozentin an der Universität von Ouagadougou.
Zwischen 1992 und 1995 schrieb sie die Kolumne "Féminin Pluriel" für die Tageszeitung L'Observateur Paalga. Etwa zur selben Zeit etablierte sie Qui-vive, eine Bestandsaufnahme der Lebensbedingungen von Frauen in Burkina Faso.
1995 bis 2000 gehörte sie dem Supreme Council of Information an bis sie ins Amt einer Staatssekretärin aufstieg. Zwei Jahre später wurde sie Ministerin mit dem neu eingeführten Aufgabenfeld "Förderung der Menschenrechte". Im Rahmen dieser Aufgabe beschäftigte sie sich vor allem mit der Bekämpfung der Armut, die sie als grundlegendste Menschenrechtsverletzung sah. In der Folge repräsentierte sie Ihr Land als Botschafterin.
Als Autorin ist Ilboudo dank ihrer Romane und ungezählter Artikel eine der zentralen Figuren im französischsprachigen Afrika.
Weitere Bücher der Autorin
1992 Le mal de peau. Imprimerie Nationale du Burkina. 2013.
1992–1995 Féminin Pluriel, un an de chroniques sur les femmes". Observateur Paalga.
1997–1999 La Liberté matrimoniale et l'Infraction d'excision. Revue Burkinabé de Droit.
2000 mit Nocky Nyamirambo Djedanoum: Recueil de poésies. Le Figuier.
2000 Murekatete. Lille: Editions du Figuier. p. 75.
2001 Le Mal de Peau. Le Serpent à Plumes.
2006 Droit de cité: être femme au Burkina Faso. les Éd. du remue-ménage.
Preis
1992 Nationaler Preis von Burkina Faso "Bester Roman" für
Le mal de peau.
Weitere Autorinnen aus Burkina Faso
Angèle Bassolé-Ouédraogo
Sarah Bouyain
Bernadette Sanou Dao
Zarra Guiro
Sophie Heidi Kam
Sandra Pierrette Kanzié
Honorine Mare
Suzy Henique Nikiéma
Bernadette Sanou Dao
Adiza Sanoussi
Marie-Simone Séri
Links zur Autorin
https://www.youtube.com/watch?v=kZcUo75fk3U
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