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Burundi

Liebe Lesende,

und wieder steht ein afrikanisches Land auf dem Programm, genauer gesagt 

 

Burundi

 

 

 

 

 

 

 

 

Auch diesmal handelt es sich bei dem Werk, das ich Euch vorstellen möchte, um ein Buch in französischer Sprache:

Colette Samoa Kirura: "La femme au regard triste." L'Harmattan 2002 (Die Frau mit dem traurigen Blick.)











Rezension

Wie so oft geht es auch dieser Autorin um die Benachteiligung der Frau in der afrikanischen Tradition. Darüber hinaus führt dieser Roman allerdings auch vor, dass es auch in der modernen afrikanischen Gesellschaft nicht unbedingt besser gelingt, eine Gleichberechtigung von Männern und Frauen zu schaffen. Die Handlung spielt nach der Unabhängigkeitserklärung Burundis in den 1960er Jahren als viele Menschen auf mehr Freiheit und Selbstbestimmung hofften.

Zunächst lernen wir Ntirabampa kennen, die durch ihre Heirat völlig in der Rolle der traditionellen afrikanischen Frau gedrängt wurde. Zu Beginn der Geschichte bereitet sie ein großes Fest für ihren Mann vor, der innerhalb des Familienclans aufgestiegen ist. Sie scheint ihre Bestätigung in der Perfektionierung ihrer Hausfrauentätigkeiten zu finden. Um das beste Essen und das beste Bier für ihren Mann und die Gäste herzustellen, arbeitet sie hart und ohne Unterlass. Ganz freiwillig ist dieser Eifer allerdings nicht. Für ihren Mann ist alles in Ordnung, solange sie funktioniert. Wenn sie versagt, droht er mit Gewalt.

Für ihre Schwester Sabine haben die Eltern einen ganz anderen Lebensweg vorgezeichnet. Sie besucht ein Internat und soll der Familie als Akademikerin Ehre machen. Ihre Noten sind hervorragend, ihre Karriere gilt als gesichert. Der Unterschied zwischen den beiden Schwestern könnte nicht größer sein. Sabine gilt den Dorfbewohnern als „zivilisiert“, was in diesem Kontext heißen soll, dass sie durch ihre Ausbildung nicht traditionell, sondern nach den Werten der früheren Kolonialverwaltung erzogen wird. Als sie für die Ferien aus dem Internat nach Hause kommt, wirkt sie unweigerlich fehl am Platz.

Auch für Ntirabampas traditionell geprägten Ehemann gibt es einen modernen Gegenentwurf: seinen Bruder Augustin. Er studiert an einem Priesterseminar, allerdings nicht mit dem Ziel, ein Priester zu werden, sondern um über diesen Weg ein Stipendium für Europa zu ergattern. Sabine and Augustin kennen sich bereits seit Längerem und haben eine Affäre, die immer wieder einmal aufflackert. Mehr hatte keiner von beiden im Sinn, weil sie an unterschiedlichen Orten studieren und keiner seine Chancen auf ein modernes Leben und eine eigene Karriere fernab der Tradition aufgeben will.

Das Paar beginnt in den Ferien wieder, sich heimlich zu treffen, was sehr schwierig ist. Denn in einem Dorf kann man kaum etwas tun, ohne dass irgendjemand davon erfährt. Der Hauptgrund für die Heimlichkeiten ist der Umstand, dass die traditionelle burundische Gesellschaft keine Verbindung akzeptiert, deren Zweck nicht die Zeugung von Kindern ist. Darüber hinaus gelten die beiden als verwandt, weil ihre Geschwister verheiratet sind.

Im Verlauf der Geschichte wird allerdings mehr aus der Affaire. Das Paar bespricht sogar die Möglichkeiten einer Heirat, obwohl es zahllose Hindernisse zu überwinden gibt. Neben dem Widerstand der Familie und der Dorfgemeinschaft muss nach traditionellem Verständnis ein Hochschulabsolvent, der auf Kosten seiner Eltern eine teure Ausbildung genossen hat, ihnen zunächst ein neues Haus bauen, bevor er oder sie heiraten kann. Selbst Menschen, die ein modernes Leben führen möchten, sind an bestimmte traditionelle Regeln gebunden.

Schließlich kommt es, wie es kommen muss. Erneut ist es eine Feier, diesmal eine Studentenparty, die dem Leben von Sabine und Augustin erneut eine völlig andere Richtung gibt. Nach der Party landen die beiden Liebenden undgeplant im Bett und diesmal wird Sabine schwanger. Beide kehren zu ihrem Studium zurück, aber nach ein paar Wochen wird Sabine klar, was passiert ist. Als sie Augustin schreibt, hat dieser gerade das erhoffte Stipendium bekommen und macht sich auf den Weg nach Europa.

Der letzte Teil des Romans beschreibt, wie Sabine über den Scherbenhaufen all ihrer Pläne und Wünsche zur Frau mit dem traurigen Blick aus dem Titel wird. Obwohl sie nichts anderes getan hat als ihr Geliebter, darf er auf ein unbeschwertes Leben und eine Karriere hoffen, während sie mit einem Schlag alles verliert. Sie wird aus dem Internat geworfen, von den Eltern zurückgewiesen und bleibt für alle Zeiten gebrandmarkt udn ausgestoßen.

Kirura erzählt ihre Geschichte sehr klar und man kann sich die Situation, in der sich eine Person befindet, gut vorstellen. Ihre Sprache ist vergleichsweise einfach und ohne besondere Finessen, was mir aber angemessen erscheint, gerade wenn es darum geht, den Dorfalltag zu beschreiben. Die Geschichte von der geschwängerten und im Stich gelassenen Frau ist natürlich schon unendlich oft erzählt worden. Was ich an dieser Geschichte jedoch interessant finde, ist, wie hier eine Zeit des Wandels geschildert wird, in der Gleichberechtigung eigentlich möglich sein könnte und dann doch scheitert.


Leseprobe

À l’idée que les invités allaient apprécier le plat du jour, Ntirabampa se sentit sereine et confiante. Le résultat était proportionnel aux efforts qu’elle avait fournis pour sa réussite. Mais une autre raison expliquait la joie qu’elle ressentait: l’arrivée imminente de Sabine, sa soeur <<civilisée>>.  Oui, elle allait arriver d’une minute à l’autre. Ntirabampa savait qu’une fois que sa soeur serait diplômée, la vie allait changer pour elle. Elle ne serait plus une paysanne quelconque.

Sabine était belle. Elle brillait d’intelligence. Ses résultats scolaires étaient toujours excellents. Il y avait de quoi remplir de fierté les parents, les fréres et soeurs, voire tout le clan. La jeune paysanne faisait déjà des projets. Elle voyait sa jeune soeur épouser un homme distingué, portant une cravate. Elle voyait le couple venir lui rendre visite sous l’oeil envieux des habitants du village. Des cadeaux de pagnes, des crèmes, des ustensiles de cuisine allaient pleuvoir quotidiennement. Toute la contrée serait témoin qu’avoir une soeur <<civilisée>> ne passait pas inaperçu.

S. 18

 

Facts zur Autorin

Colette Samoya Kirura weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer es ist, sich in einer von Männern dominierten Welt als Frau zu behaupten. Sie war das erste Mädchen aus ihrem Dorf, das eine weiterführende Schule besuchte und später die erste burundische Frau, die einen Master-Abschluss erwarb. 

Außerdem war sie politisch tätig und 1982 eine von nur zwei Frauen, die ins Parlament gewählt wurden. Kirura  blieb bis 1987 Mitglied der Nationalversammlung und führte danach die Union der burundischen Frauen an. 1992-1994 vertrat sie ihr Land bei den Vereinten Nationen und gründete 1998 die Friedensorganisation "Bangwe et dialogue".


Weitere Autorin aus Burundi
 

Esther Kamatari


Link zur Autorin

Colette Samoya Kirura (Burundi) | WikiPeaceWomen – Deutsch

 

Links zum Thema

Verordnungen gegen Frauen in Burundi: Nicht mehr abends raus - taz.de

Burundi: Erst nach dem Krieg kam der Durchbruch – Frauen auf dem steinigen Weg nach oben | visionews.net

afrika.info | Burundi: Frauen wollen nach ganz oben

 





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