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Dänemark

 

Ihr Lieben,

heute besuchen wir mal wieder ein europäisches Land:


Dänemark

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

Mir hat die Erkundungsreise in Dänemark im Vorfeld wirklich große Freude bereitet. Endlich kam ich mal dazu, in die Trilogie von Tove Detlevsen hineinzulesen, die ja vielfach besprochen und gelobt wurde. Für den heutigen Blog habe ich allerdings einen völlig anderen Fund gemacht - und zwar einen Krimi. Wer mich kennt, weiß, dass ich sehr gern Krimis lese, obwohl dieses Genre ja von vielen als Trivialliteratur oder sogar "Nicht-Literatur" geschmäht werden. Und natürlich waren es meine ganz persönlichen "niederen Motive", die mich ein paar Krimis in die Leserunde einschmuggeln lassen - auch in Zukunft immer mal wieder. Mich interessieren literarische Mordfälle vor allem dann, wenn sie über die reine Tat hinaus etwas über die Psychologie von Tätern, Opfern und Umfeld erzählen und die Verhältnisse in einer Gesellschaft oder in verschiedenen sozialen Gruppen spiegeln. Das geschieht in dem Buch, das ich heute ausgewählt habe in besonderer Weise:

Julie Hastrup: Blut für Blut. Piper 2018

 


 

 

 

 

 

 

 

Rezension

Wer hier einen der super-blutrünstigen skandinavischen Krimis erwartet, wie man sie gerade zu Hauf in den Buchhandlungen findet, der wird von Julie Hastrups Blut für Blut möglicherweise enttäuscht. Es fließt wie im Titel versprochen zwar Blut, aber in Maßen. Für reine Cosy Krimi Fans ist es womöglich wiederum etwas zu viel. Aber alle Leserinnen, die eine vielschichtige Whodunit-Story zu schätzen wissen und mehr darüber erfahren möchten, was einen Menschen antreiben kann, einem anderen etwas anzutun, sind hier richtig.

Der Plott ist schnell erzählt: Kommissarin Rebekka Holm, ihr kopenhagener Partner Reza Aghajan und ein Kollege aus Stockholm ermitteln gemeinsam an einem Fall, der große Wellen schlägt: eine Vergewaltigungsserie mit Opfern aus Dänemark und Schweden. Der Täter geht äußerst brutal vor und verletzt seine Opfer so schwer, dass eines davon sogar an den Folgen stirbt. 

Die Ermittlungen gehen schleppend voran und dann wird beim Kastell von Kopenhagen auch noch die Leiche einer aus dem Fernsehen bekannten Sozialarbeiterin gefunden. Was zunächst wie ein Unfall aussieht, stellt sich bald als Mord heraus. Die Mitarbeiter der Mordkommission werden aufgeteilt. Holm übernimmt gemeinsam mit Aghajan den neuen Fall, während dem Schweden die Leitung der Ermittlungen in der Vergewaltigungsreihe übertragen wird. Die neue Aufgabe fällt der Kommissarin zunächst schwer, weil sie bereits sehr viel Zeit in den Vergewaltigungsfall investiert hatte. Diesen brutalen Täter hätte sie nur zu gern selbst zur Strecke gebracht. 

Doch das ist nicht das einzige, was ihr zu schaffen macht. Ihr Privatleben wird zunehmend komplizierter, weil ihr Freund, ebenfalls Kommissar, deutlich macht, dass er ihre Beziehung auf eine neue Stufe bringen möchte. Und die Perspektive zu heiraten, Kinder zu bekommen und womöglich an ihren Heimatort auf dem Land zurückzuziehen, löst ein ganzes Bündel an wiederstrebenden Gefühlen aus.

Beide Fälle werden natürlich gelöst und das ist auch sehr solide erzählt. Angenehm war aus meiner Sicht die realistische Darstellung der Polizeiarbeit. Die Ermittler taten ihre Arbeit und beugten nicht bei jedem Widerstand gleich die Gesetze, brachen irgendwo ein oder bedrohten Zeugen. Es wurden auch keine Informationen vorenthalten, so dass man als Leserin immer auf der Höhe der Ermittlung war. Das Besondere an diesem Krimi ist allerdings nicht unbedingt die Haupthandlung, sondern die unglaublichen Nebengeschichten, die einem ganz en passant erzählt werden und gelegentlich den Atem verschlagen.

Da gibt es beispielsweise die Hundehalterin Anne, die mit der toten Sozialarbeiterin einer Gruppe angehörte, die vor dem Mord einmal wöchentlich ihre Tiere gemeinsam am Kastell ausführten. Nach der Tat fehlt der bindende Einfluss der Sozialarbeiterin und die inhomogene Gruppe bricht auseinander. Der einzige Nicht-Däne, ein vom Krieg traumatisierter Serbe, wird plötzlich von allen als Täter angesehen. Anne glaubt, es sei ihre Pflicht, den vermeintlichen Mörder aus der Reserve zu locken und quält ihn mit anonymen Anrufen, die bei ihm die furchtbaren Geister der Vergangenheit zum Leben erwecken. 

Nebengeschichten wie diese gibt es eine ganze Reihe in Blut für Blut. Und ich muss zugeben, dass es mir mindestens genauso kalt den Rücken hinunterlief als Julie Hastrup den Serienvergewaltiger seine Motive erläutern läßt, wie bei ihrer Beschreibung der Reaktion von Anne, als diese von den Folgen ihrer anonymen Anrufe erfährt: 

 

Leseprobe

Am Tag darauf hatte Leon Rothenborg sie angerufen und erzählt, dass Tibor sich in seiner Wohnung erhängt hatte, nachdem er Molly, einen seiner Hunde, umgebracht hatte. Man ging davon aus, das er aus welchen Gründen auch immer eine plötzliche Psychose entwickelt hatte. Anne hatte die Zeitungen gekauft und mit zittenden Händen durchgeblättert, aber nur eine kleine Notiz in der City-avis gefunden. Wie sich herausgestellt hatte, hatte Tibor an einem durch den Krieg in seinem Heimatland verursachten posttraumatischen Stresssyndrom gelitten. Die Polizei hatte den Fall abgeschlossen.

Anne streckte sich und eilte den Hang hinauf, den anderen hinterher. Chanel und Milica (der zweite Hund von Tibor) bissen sich gutmütig in die Schwänze. Milica hatte sich gut bei ihnen eingelebt, Chanel war aufgeblüht, seit er an den langen Tagen, an denen Anne arbeitete, einen Spielkameraden hatte. Die Idee, Chanel zu paaren, um Welpen zu bekommen, war begraben. Jetzt ging es um Chanel und Milica. Tabor wäre ihr dankbar gewesen, das wäre er ganz bestimmt.

S.442 


Facts zur Autorin:

Julie Hastrup ist Journalistin und Schriftstellerin. Bis zu ihrem großen Erfolg mit dem ersten Band der Rebekka-Holm-Krimireihe ("Vergeltung") arbeitete für verschiedene dänische Fernseh- und Radioanstalten.


Weitere Bücher der Autorin

2009: „En torn i øjet“ (dt. Vergeltung, Piper Verlag, München 2012)

2010: „Det blinde punkt“ (dt. Blut für Blut, Piper Verlag, München 2012)

2012: „Blodig genvej“ (dt. Todessommer, Piper Verlag, München 2014)

2013: „Portræt af døden“ (dt. Die Toten am Lyngbysee, Piper Verlag, München 2014)

2015: „Farlig fortid“ (dt. Stiller Hass, Pieper Verlag, München 2016)

2017: „Mirakelmanden“

2018: „Blodspor“

 

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Links zur Autorin

Julie Hastrup 

 


 

 

 

 

 


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