Direkt zum Hauptbereich

Eritrea


Liebe Reisende,

heute wird unser Lesetrip etwas holprig mit einer Menge Gegenwind:

 

Eritrea

 


 

 

 

 

 


 

Es geht um das Werk einer Autorin, die zunächst großen Erfolg mit ihrer Autobiografie hatte und dann mit dem Vorwurf konfrontiert war, sich die Ereignisse in ihrer Kindheit nur ausgedacht zu haben.

Senait Ghebrehiwet Mehari: Feuerherz. Droemer Verlag, 2004

 


 

 

 

 

 

 

 

 

Rezension

Worum geht es in diesem Buch, das nach seinem Erscheinen für so viel Ärger sorgte und heute längst vergessen ist? Senait Ghebrehiwet Mehari beschreibt ihre Kindheit und Jugend in Eritrea bis sie schließlich über Um- und Irrwege nach Deutschland kommt und dort eine Musikerinnen-Karriere beginnt. Die Geschichte ist höchst dramatisch. Schon die ersten Jahre bei ihrer Mutter hätte die kleine Senait kaum überlebt. Einmal steckte die Mutter das Kleinkind einfach in einen Koffer und ging aus. Nur durch einen Zufall wurde das Mädchen gerettet und war ab diesem Zeitpunkt als das Kind aus dem Koffer bekannt. Man übergab es schließlich einem Waisenhaus, das von Nonnen mit harter Hand geleitet wurde. Die Situation entspannte sich etwas als die Kleine schließlich für eine kurze Atempause bei den Großeltern unterkommen konnte.

Doch die Zeit in der geliebten Umgebung unter dem Schutz  zahlreicher Verwandten dauert nicht lange an. Weil zu viele in der Familie leben und die Ressourcen knapp sind, bringt eine Tante das Kind zu dem von der Mutter getrennt lebenden Vater und dessen aktueller Frau. Die Stiefmutter hat eine eigene Tochter, deren Position sie durch den Familienzuwachs bedroht sieht, zumal bereits zwei weitere Halbschwestern aus einer weiteren Ehe des Vaters in der Familie untergebracht sind.

Als auch hier das Geld knapp wird, übergibt der Vater die drei Mädchen aus den früheren Ehen der ELF, einer Widerstandsbewegung, um sie als Kindersoldaten ausbilden zu lassen. Die Autorin berichtet dann sehr detailreich, wie sich die drei Schwestern in einem verlorenen Krieg durchschlagen müssen. Die Kindersoldaten werden zwischen Äthiopien, das Eritrea beansprucht, und einer weiteren Widerstandsbewegung, der EPLF, aufgerieben. Ständig auf der Flucht geht es fast nur noch darum, nicht zu verhungern.

Schließlich gelingt mithilfe eines Onkels, der die drei Mädchen schon eine Weile gesucht hat, die Flucht in den Sudan und dann nach Deutschland. Dort müssen die drei minderjährigen Schwestern ausgerechnet bei ihrem verhassten Vater wohnen, der zur unterlegenen Widerstandsbewegung gehörte und aus Eritrea flüchten musste. Das Buch endet schließlich damit, dass die Protagonistin einen Neuanfang in Deutschland schafft.

Schon kurze Zeit nach dem großen Erfolg des Buches und spätestens in Zusammenhang mit seiner Verfilmung, gab es Zweifel an dem Wahrheitsgehalt der Autobiografie. Einige im Buch beschriebene Personen verklagten die Autorin sogar. Das beschriebene Camp sei eigentlich eine Schule gewesen und dort habe es nie Waffen gegeben, reklamierten die zwischenzeitlich auch in Deutschland lebenden Leiter/Anführer. Die Presse stürzte sich auf diese Geschichte mit großer Häme. Offenbar machte es einen Riesenspaß, eine Autorin beim Lügen zu ertappen. Aber hat sie wirklich gelogen?

Mich erinnerte der Stil der Artikel ein wenig an die "Berichterstattung" als vor einigen Jahren per Genanalyse nachgewiesen wurde, dass Wikingerinnen mit allen Ehren eines Kriegers oder sogar Anführers bestattet wurden. Die Reaktion auf diesen Fund war ähnlich polemisch. Man(n) machte sich lustig und verbannte die "Walküren" ins Reich der Fantasie. Heute geraten Kritiker der Wikingerinnenforschung immer mehr in die Defensive. Nicht nur der Test an dem zuerst erforschten Skelett wurde von mehreren Instituten bestätigt, mittlerweile sind darüber hinaus einige andere angebliche Krieger untersucht worden und stellten sich als kämpfende Frauen heraus. Tatsächlich war die Dame aus dem ersten Grab kein Einzelfall.

Ich erwähne dieses Beispiel, weil aus meiner Sicht für uns gar keine Möglichkeit besteht nachzuweisen, ob die in Frage gestellte Zeit als Kindersoldatin von Mehari erlebt, ausgeschmückt, falsch erinnert oder völlig erfunden ist. Die damals aufgetauchten "Zeugen" sind selbst involviert gewesen. Versteht mich nicht falsch. Ich ergreife keine Partei und ziehe auch deren Aussagen nicht in Zweifel. Fakt ist aber, dass Menschen, die sich ein neues Leben in einem fremden Land aufbauen wollen, in so einem Fall immer sagen würden: „Das war gar nicht so.“ Wir stehen hier vor dem Dilemma, dass ganz gleich, ob Wahrheit oder Lüge – die Antwort würde immer gleich lauten.

Auch Experten aus Deutschland kamen zu Wort, die die Existenz von Kindersoldaten in Eritrea sogar grundsätzlich in Frage stellten. Ich kann auch deren Expertise nicht widerlegen. Allerdings kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass ich während meiner Drehs in Afrika und anderswo nie die Möglichkeit hatte, allein mit meinem Team loszuziehen. Es gab immer einen Offizier des Innen- oder Informationsministeriums de jeweiligen Landes, der uns zu den Drehorten begleitete und die Kommunikation mit den Menschen beobachtete oder sogar selbst der Übersetzer war. Für meine  Kulturthemen war das meist nicht hinderlich, aber kritische Berichterstattung schränkt das natürlich ein. Wenn also ein Besucher aus Deutschland eine Reise durch Eritra macht, wie wahrscheinlich ist es da, dass er ein Camp mit Kindersoldaten präsentiert bekommt? Dass ein einzelner Experte diese Lager nicht gesehen hat, heißt definitiv nicht, dass es sie nicht gibt.

Aber macht euch doch gern selbst ein Bild von dem Buch und/oder von der Diskussion drumrum. In den Links unten findet Ihr eine Quellenzusammenstellung von jemandem, der sich viel Mühe gemacht hat, die Behauptung, es habe keine Kindersoldaten in Eritrea gegeben, zu entkräften. Im zweiten Link gibt es (relativ weit unten im Text) Berichte von anderen Kindern, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben wie Senait Ghebrehiwet Mehari. Offenbar gilt zumindest bei den HIlforganisationen mittlerweile als gesichert, dass es solche Camps tatsächlich in Eritrea gegeben hat.

Der Vollständigkeit halber habe ich beispielhaft auch einen Link eingestellt, in dem sich ein Journalist auf Mehari stürzt. Interessant ist, welch absurde Argumentationslinie er verfolgt. Beispielsweise verweist er auf einen anderen ehemaligen Kindersoldaten, der über sein Alter und die Länge seines Einsatzes falsche Angaben gemacht hat. Inwieweit der eine Fall Aussagekraft für den anderen haben soll, bleibt ungeklärt? Schließt der Autor etwa: Ein ehemaliger Kindersoldat lügt, also lügen alle – oder wie? Auch so seltsame Seitenhiebe, es gäbe beispielsweise gar keine Löwen in Eritrea wie sie Mehari beschrieben hat, muten seltsam an. Zumal es bis zum heutigen Tag keinen Hinweis darauf gibt, dass der Löwe in Eritrea ausgerottet ist (Selbst wenn das in nicht all zu ferner Zukunft der Fall sein sollte.)

Langer Rede, kurzer Sinn: Insgesamt betrachtet spricht nichts wirklich gegen die Annahme, die Kindheit der Autorin könne wie von ihr geschildert oder zumindest recht ähnlich verlaufen sein. Darauf deuten zumindest die Informationen, die Menschenrechtsorganisationen gesammelt haben.

Kann ich also die Lektüre des Buches empfehlen? Da schlagen ganz ehrlich mindestens zwei Herzen in meiner Brust. Der Inhalt ist natürlich interessant, aber Literatur darf man nicht erwarten. Die Geschichte hatte eine sehr gemischte Wirkung auf mich. Während einige Szenen sehr stimmig und dadurch glaubwürdig wirken, hatte ich das Gefühl, dass andere ein Klischee nach dem anderen abfeierten. Schon beim Lesen wurde ich den Eindruck nicht los, dass ich es nicht nur mit einer Stimme zu tun hatte. Tatsächlich dankt Mehari am Ende ihres Buches Lukas Lessing, der offenbar als Ghostwriter ihre Geschichte zu Papier gebracht hat. Ich vermute, dass die teilweise irritierende Zweistimmigkeit aus dieser Zusammenarbeit resultiert.

Wie gesagt, es gibt einzelne Beschreibungen, die ich als authentisch empfunden habe, aber es gab sehr viele Lesemomente, in denen ich das nächste Übel schon lange vorher kommen sah. Als hätte man eine Strichliste aller Gräuel als Vorlage, die unbedingt abgehakt werden musste. Böse Mutter - Check, schwarzes Waisenkind bei weißen Nonnen - Check; Beschneidungsfrage - Ceck; böse Stiefmutter - Check; grausamer Vater - Check; Hunger - Check; Flucht - Check; ausgebeutete Kindersoldaten - Check; als Spielzeug getarnte Sprengsätze - Check; brutale Anführer - Check, Vergewaltigung - Check, usw. Dieses „Haken dahinter“-Gefühl sprang mich geradezu an, als der Abwurf von Spielzeug-Sprengfallen beschrieben wurde. Diese Strategie, wenn man es so nennen will, erscheint mir strategisch überhaupt nicht einleuchtend, weil die Äthiopier militärisch so überlegen waren, dass sie einfach die Camps bombardieren konnten, ohne sich besondere Mühe mit der Verkleidung der Bomben geben zu müssen.

Neben diesem Overkill der Gräuel, der eher aufgesetzt wirkte, gab es Momente, die mir durchaus nah gingen: Die Darstellung der Angst, des Hungers, auch wie der Widerwille gegen die Waffe beschrieben wird beispielsweise. Für die damalige Situation der Kindersoldaten in Eritrea konnte ich jedenfalls großes Mitgefühl entwickeln, womit ja sicher ein Ziel des Buches erreicht ist. Insgesamt finde ich es schade, dass mit dem Interesse der Autorin offenbar auch jegliches Interesse am Thema verloren ging. 

Ganz unabhängig von diesem speziellen Buch scheint mir der Konflikt um solche Autobiografien von "Überlebenden" sehr wichtig zu sein für unsere Sicht auf die Menschen, insbesondere die Frauen, aus anderen Teilen der Erde. Denn es zeigt genau, welche Inhalte wir offenbar über Afrika oder andere Orte dieser Welt lesen wollen. Die Klischees, die sich oben scheinbar so stringend aneinanderreihen, sind ja nicht von ungefähr in dem Buch versammelt. 

"Höher, schneller, weiter" ist auch die Messlatte, die an Autobiografien angelegt werden. Wie häufig wird es wohl vorkommen, dass jemand, der traumatisierende Erlebnisse im Elternhaus, traumatisierende Erlebnisse in einem Waisenhaus, traumatisierende Erlebnisse im Krieg und eine traumatisierende Flucht erlebt hat, am Ende nicht nur körperlich unversehrt ist, sondern auch noch einen einzigen sinnvollen Satz denken oder sogar (in einer fremden Sprache!) schreiben kann. Für die meisten von uns würde ein einzelnes dieser Traumata ausreichen, um unser Selbst implodieren zu lassen. 

Die AutorInnen/ProtagonistInnen solcher Bücher müssen außerdem noch kompetent über die Probleme ihres Landes referieren können und möglichst gut dabei aussehen, wenn sie immer und immer wieder über ihre Erlebnisse berichten. Und falls es Kritik gibt, müssen sie diese auch noch ganz persönlich und meist allein ertragen. 

Ich finde, wer echte Geschichten lesen möchte, der muss sich auch auf echte ErzählerInnen einlassen - auf ihre spezielle Inhalte, ihren Blickwinkel, ihre Sprache und den literarischen Ausdruck. "Feuerherz" ist sicher ein perfekt auf den deutschen Markt zugeschnittenes Produkt gewesen. Wenn wir hier über Wahrheit und Moral sprechen, dann müssten man die Frage sicher auf den Literaturbetrieb und das Leseverhalten erweitern.

An authentische Literatur ist übrigens auch die Frage nach der  Wahrhaftigkeit zu stellen und nicht nach der Realitätsabbildung im Detail. Wer reines Faktenwissen sucht, ist bei Sachbüchern besser aufgehoben. Und wer schließlich Opferbiografien als moderne Heiligenlegenden und Martyrienliteratur liest, der muss vermutlich sowohl Abstriche beim literarischen Anspruch als auch beim Faktencheck machen. Ich wünschte, mehr Verlage hätten den Mut, authentische Geschichten aus anderen Ländern zu veröffentlichen und die Authentizität nicht primär aus einer Person zu saugen, die in der Personalunion von Opfer, starker ProtagonistIn, AutorIn und PräsetatorIn logischerweise überfordert sein muss.

 

Leseprobe

In diesem Moment schlug eine Granate genau dort ein, wo ich hätte sein sollen, um auf die Ladefläche zu klettern. Wäre ich dort gewesen, hätte die Sprengladung mich auf der Stelle zerfetzt. Ich sah nur einen Blitz und hörte den Knall. Eine ungeheure Wucht schleuderte mich ein paar Meter weit weg. Der Lkw wurde getroffen und fing Feuer. Menschen sprangen von der Ladefläche. Andere hingen verletzt zwischen Trümmern und Spittern und Rauch und Staub und zerbrochenen Flaschen. Woher kamen nur die vielen Glassplitter?

Ich rappelte mich auf und rannte weiter, ins offene Feld hinein, die Decken und die Waffe fest an mich gepresst. Fast wäre ich mit dem Kopf in einen unserer kleineren Lkws gerannt, einen Art Lieferwagen mit Türen am Heck. Der Wagen fuhr bereits. Mit Mühe sprang ich hinten auf, fast wäre ich von dem glatten Trittbrett abgerutscht. Ich warf meine Lasten weg und klammerte mich mit aller Kraft an das Auto. Jemand zog mich hinauf. Ich quetschte mich in das stockdunkle Innere des Wagens, zwischen viele andere, die von allen Seiten schoben und drängten. Nass war es hier vom Schweiß oder vom Blut. Es war, als wäre ich in den feuchten Eingeweiden eines großen Tieres gelandet, das sich rudernd fortbewegte. Dauernd stieß ich mich an. Alle im Auto waren still, einer stöhnte. Ein Wunder, dass der Fahrer einen Weg fand, denn es war noch immer fast völlig dunkel. Meine Angst war verflogen, dafür war ich wie gelähmt von dem Schrecken, den ich gesehen hatte, so nah war ich dem Krieg noch nie gewesen.

S. 164

 

Facts zur Autorin

Senait Ghebrehiwet Mehari ist Sängerin und schreibt ihre Texte in Deutsch, Englisch und Tigrinya. Zunächst trat sie als Background-Sängerin in diversen Bands auf und wurde später Mitglied der Girlie-Gruppe Corniche. 1999 veröffentlichte sie ihre Solo-Singles Leben und Aura. Mit Herz aus Eis nahm sie 2003 an der deutschen Vorentscheidung zum Eurovision Song Contest teil und erreichte Platz 4. Schließlich erschien 2005 ihr erstes Album Mein Weg. 2006 wirkte  sie bei dem Peter-Maffay-Projekt Begegnungen – Eine Allianz für Kinder mit.

 

Weiteres Buch der Autorin

Wüstenlied. Knaur Taschenbuch. 2007

 

Weitere Autorinnen aus Eritrea

Leider habe ich keine weiteren Schriftstellerinnen aus Eritrea gefunden, aber immerhin eine Britin mit eritreischen Wurzeln.

 

Angemerkt

Wer nach all dem Für und Wider nicht nach „Feuerherz“ greifen möchte, der liest vielleicht lieber:

Hannah Azieb Pool: My Father’s Daugther. Penguin Books Ltd. 2006

In diesem Buch erzählt die Moderatorin Hannah Pool, die 1974 adoptiert und aus einem Waisenhaus in Eritrea nach England gebracht wurde. Sie wuchs bei ihrem weißen Adoptivvater auf, ohne je ihre Vergangenheit zu hinterfragen. Als sie bereits als Moderatorin eine gewisse Bekanntheit erreicht hatte, schrieb ihr ein Mann aus Eritrea, der behauptete, ihr Bruder zu sein. Zehn Jahre lang ignorierte sie den Brief, unfähig die innere Grenze zu überschreiten, die sie von ihren Wurzeln trennte. Schließlich entscheidet sie aber doch, nach ihren eritreischen Verwandten zu suchen.

(Ich hatte dieses Werk ursprünglich ausgeklammert, weil Hannah Pool ja eben nicht in Eritrea gelebt hat und logischerweise mit europäisch geprägtem Blick auf das Land ihrer Vorfahren blickt.)

 

Links zur Autorin

https://www.laut.de/Senait-Mehari

 

Links zum Buch

Senait G. Mehari: Feuerherz // BUCHTIPP & REZENSION von hallo-buch.de (hallobuch.de)


Senait G. Mehari: Feuerherz - Perlentaucher

 

Links zum Thema

https://en.wikipedia.org/wiki/Senait_Ghebrehiwet_Mehari

https://de.wikipedia.org/wiki/Senait_Ghebrehiwet_Mehari

 

Anliegen | Textquellen zu Eritrea - (wordpress.com)

Eritrea: Misshandlungen von Militärdienstleistenden (connection-ev.org)

Senait Mehari: Die schöne Kindersoldatin muss vor Gericht - WELT

https://www.unicef.de/informieren/aktuelles/blog/kindersoldaten-in-afrika-und-weltweit/72156

https://www.un.org/sg/sites/www.un.org.sg/files/atoms/files/15-June-2020_Secretary-General_Report_on_CAAC_Eng.pdf

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

 




Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Wie kam es zu diesem Blog?

2017/18 habe ich mit meiner Tochter Sarah das große Abenteuer unternommen, auf Weltreise zu gehen. Eigentlich wollten wir schon damals aus jedem Land, das wir besuchten, wenigstens ein Buch lesen (wenn schon nicht während der Reise, dann doch wenigstens, sobald wir wieder zu Hause waren).  Wie immer im Leben hatten wir uns ein wenig zu viel vorgenommen. Mittlerweile sorgt bekanntermaßen ein böses Virus, dessen Namen man wie etwa bei Lord V aus Harry Potter oder antiken Rachegöttern gar nicht mehr nennen mag, dafür, dass Reisen aus Sicherheitsgründen besser nur im Kopf stattfinden. Also habe ich mir überlegt, dass doch eine Lese-Weitreise jetzt genau das Richtige wäre.  Als ich dann im Netz recherchierte, habe ich festgestellt, dass es schon ein paar andere Weltreisende in Sachen Literatur gibt. Zum Beispiel hat mir der Blog von Ann Morgan gut gefallen: https://www.thebooktrail.com/authorsonlocation/reading-the-world-ann-morgan/ Und obwohl es bisher nur wenige sind, die ein so umf

Belgien

  Ihr Lieben, heute sind wir wieder Mal in Europa unterwegs, und zwar in   Belgien                   Unter den zahlreichen Titeln, die belgische und flämische Autorinnen publiziert haben, ist mir dieses Bändchen besonders ins Auge gesprungen - vermutlich, weil ich mich nach all den ernsten Sujets unserer Lesereise selbst gern der Kunst des Champagnertrinkens hingeben würde. Man kann ja immer noch dazulernen…   Amélie Nothomb: Die Kunst, Champagner zu trinken. Zürich. Diogenes, 2019                       Rezension Ich muss zugeben, dass ich Amélie Nothomb bislang nicht kannte, obwohl sie schon zahlreiche Romane veröffentlicht hat. Bei der Auswahl habe ich mich voll und ganz auf den Covertext verlassen. Da heißt es: „Zwei Schriftstellerinnen, eine Leidenschaft: Amélie und Pétronille suchen den Rausch – in der Literatur und im Champagner. In Paris besuchen sie eine Degustation im Ritz, sie feiern in London und in den Alpen. Doch es gibt Dämonen, die sich auch

Bosnien und Herzegowina

  Ihr Lieben, unser nächster literarischer Exkurs führt uns nach    Bosnien und Herzegowina                 und zwar in die Zeit des Krieges. Es geht um: Zlata Filipovic: Ich bin ein Mädchen aus Zarajevo . Bastei Lübbe Verlag, 1994 Originalausgabe: Le Journal de Zlata. Fixot Paris 1993       Rezension Diese Rezension stürzt mich in ein gewisses Dilemma, das ich tatsächlich nicht so recht auflösen kann. Zlata Filipovics 1993 veröffentlichtes Tagebuch ist eben genau das: Das Tagebuch eines Kindes. Und damit leider auch nicht im engeren Sinne literarisch interessant, gleichzeitig aber natürlich ein außergewöhnliches Zeitzeugnis, das den Alltag in Sarajevo während der Belagerung in den Jahren 1991–1993 beschreibt. Vielfach haben Kritiker nach der Veröffentlichung die junge Zlata als "Anne Frank von Zarajevo" gefeiert. Diese Vergleiche hinken ja meistens, aber hier erschöpft sich die Gemeinsamkeit auch schon darin, dass ein Mädchen während eines Krieges ein Tagebuch schreib